Kontakt ist keine Einbahnstraße

(oder: Wenn Stille zur Antwort wird)

Ich habe eine Theorie:
Man merkt den Wert einer Beziehung nicht daran, wie oft man miteinander redet,
sondern daran, wer sich meldet, wenn man es mal nicht tut.

Ich habe das ausprobiert.
Nicht aus Trotz, sondern aus Müdigkeit.
Ich wollte wissen, ob jemand auf der anderen Seite des Tisches sitzt – oder ob ich all die Jahre nur gegen mein eigenes Echo gesprochen habe.

Zweimal hab ich den Versuch gestartet.
Ich hab das Telefon nicht in die Hand genommen, keine Karte geschrieben, keinen Anlass erfunden, um mich zu melden.
Das Ergebnis war eindeutig:
Beim ersten Mal – zwei Jahre Funkstille.
Beim zweiten Mal – jetzt sind’s sechs Monate.
Und wieder: nichts.

Früher war ich nachsichtiger. Ich dachte, sie hat vielleicht viel um die Ohren, oder sie weiß einfach nicht, was sie sagen soll.
Ich hab das durchgehen lassen, sechs Wochen, manchmal acht. Dann hab ich wieder angerufen.
Weil Familie ja Familie ist.
Weil man doch nicht einfach… abbrechen kann.

Aber irgendwann kam dieser Moment, an dem die Ausreden nicht mehr reichten.
Ich hab sie mal darauf angesprochen.
Ihre Antwort?
„Ich will dich nicht stören.“
Oder: „Du musst ja immer so viel arbeiten.“

Aha.

Das war der Punkt, an dem ich verstanden habe:
Manche Menschen benutzen Rücksicht als Vorwand für Gleichgültigkeit.
Sie nennen es Sensibilität, aber in Wahrheit ist es Bequemlichkeit.

Ich bin nicht wütend.
Ich bin durch damit.
Ich bin an diesem Punkt, an dem man sagt: „Rutsch mir den Buckel runter.“ –
nicht aus Trotz, sondern aus Selbstschutz.

Denn Kontakt ist keine Einbahnstraße.
Wer Nähe will, muss sie auch halten.
Und wer sie nicht hält, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann niemand mehr ruft.