Ein leerer Rollstuhl steht auf einem Feldweg, daneben ein gelbes Warnschild mit der Aufschrift „Vorsicht bissig!“ und einer stilisierten Pfote
🌸 Leben mit Einschränkungen – leise erzählt

Ich bin nicht schwerhörig – ich sitze nur

Es ist ein ganz normaler Termin. Arzt. Amt. Irgendwas mit Formularen. Mein Mann schiebt den Rollstuhl souverän durch die automatische Tür, ich sitze darin – aufrecht, frisiert, ansprechbar. Also eigentlich ganz Mensch.

Und doch passiert es wieder.
Eine Person – meist weiblich, manchmal mit Dienstmarke um den Hals – stürzt auf mich zu, reißt mit dramatischer Geste die Tür auf, macht eine Handbewegung, als würde gleich ein königlicher Zug durchfahren. Und dann, das Highlight:

„HAAAAALLLOOOO! WIIIEEEEEE GEEEHT EEEESSS IHNENNNN???“

Ich blinzele.
Ich lächle.
Und antworte mit der gleichen schallenden Dramatik:
„DAAAAAANKEEEEEEEE! MIIIIIIIR GEHHHHHT EEEESSSS PRRRÄÄÄCHTIGGGGGG!!!“

Verwirrung im Gesicht des Gegenübers.
Nicht bei mir – ich mach das mittlerweile mit links. Oder rechts. Je nachdem, wie das Rollstuhltischchen gerade angebracht ist.


Rollstuhl gleich Reduktionsform?

Ich frage mich: Was genau passiert in den Köpfen der Menschen, wenn sie einen Rollstuhl sehen?
Ein Stuhl auf Rädern scheint offenbar alles auszulösen: Hilfsreflexe, Lautsprecherlogik, und bei manchen leider auch ein klitzekleines mentales Kurzschlussfeuerwerk.

Ich habe Arme. Beine. Haare. Augen, Nase, Mund – alles an seinem Platz.
Ich spreche normal. Ich lache gern.
Und dennoch behandeln mich manche Menschen, als sei ich gerade auf dem Weg zur Puppenwerkstatt für eine Komplettüberholung.


Mein Mann, der Rammbock – oder: „Springen Sie zur Seite!“

Was auch faszinierend ist: Mein Mann schiebt mich.
Ruhig. Zielgerichtet.
Und trotzdem springen Leute panisch zur Seite, als wären wir zwei Irre auf der Suche nach menschlichen Opfern.
Manche reißen Türen auf mit einer Vehemenz, dass man denkt: Gleich wird ein Feuerlöscher gezückt.
Dabei wollten wir einfach nur zur Anmeldung.

Ich verstehe ja – es ist oft nett gemeint.
Aber so viel Aktionismus wirkt manchmal eher wie:
„Achtung, rollendes Risiko – Schutzmodus aktivieren!“


Zwischen Hilfe und Hilflosigkeit

Ich glaube, das Problem ist nicht böser Wille.
Es ist… seltsames Halbwissen. Unsicherheit. Und eine Prise unreflektierter Automatismus.

Rollstuhl = Behinderung.
Behinderung = irgendwie „anders“.
Anders = lieber mal laut sprechen.
Denn: Wer weiß, was die noch kann oder nicht?

Das Ergebnis: Menschen, die ihre eigene Nervosität mit Aktivismus übertünchen – und dabei völlig vergessen, dass vor ihnen kein Pflegefall sitzt, sondern ein Mensch mit Persönlichkeit, Verstand und Humor.
(Und einem ausgesprochen bissigen Sinn für Reaktionen.)


Rede normal mit mir. Und wenn du helfen willst: Tu’s dezent.

Ich bin nicht undankbar.
Manche Hilfen sind Gold wert – und Türen sind tatsächlich nicht immer freundlich zu Menschen im Rollstuhl.
Aber zwischen Hilfsbereitschaft und Theaterdonner gibt’s ein feines Gleichgewicht.

Also bitte:

  • Öffne gern die Tür – aber nicht wie beim SEK-Einsatz.
  • Sprich mit mir – aber bitte ohne Megafon.
  • Und wenn ich dir antworte wie eine Disneyfigur mit Sprachproblem:
    Dann hast du es verdient. 😄

Fazit?

Ich sitze.
Ich rolle.
Ich lebe.
Und ich rede normal – es sei denn, du fängst mit dem Drama an.
Dann kann ich auch laut. Versprochen.

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